Das Amt Wölpe

Der letzte Graf von Wölpe, Otto, verkaufte die Grafschaft Wölpe an den Grafen Otto von Oldenburg-Bruchhausen, nachdem ihm ein männlicher Thronfolger verwehrt blieb. 1302 verkaufte sie der neue Besitzer an den Herzog Otto II. von Braunschweig-Lüneburg für 6.500 Mark Bremer Silber. Der neue Herzog aus dem Hause der Welfen belehnte seine Verwandten, die Grafen von Hoya, mit Drakenburg und vereinigte die übrige Grafschaft mit dem Herzogtum Calenberg. Als Grenze zwischen der Grafschaft Hoya und dem calenbergischen Amte Wölpe bestimmte er die uralte Heerstraße, die bereits in der Bremer Stiftungsurkunde von 788 als Hesseweg bezeichnet wurde, die von Nienburg über Holtorf nach Verden führte (heutige B 215). Doch wurde den Drakenburgern gestattet, ihr Brennholz aus dem Wald zwischen Wölpe und Heemsen zu holen. In die Wölper Burg, wo seit 1120 die Grafen von Wölpe residierten, zog nun als Stellvertreter des Braunschweiger Herzogs ein Drost (später Amtmann genannt) ein.


Die Grenzen des Amtes Wölpe

Das neue Amt Wölpe umfasste die Kirchspiele Holtorf, Heemsen, Steimbke, Hagen und Husum. Zur Unterstützung des Amtmannes war in jedem Kirchspiel ein Vogt angestellt, doch bildeten Holtorf und Heemsen nur eine Vogtei. Die Vögte wohnten in Heemsen, Wenden, Hagen und Husum. Der spätere Flecken Erichshagen (1568) blieb vogtfrei. Zur ersten Vogtei gehörten die Dörfer Holtorf, Heemsen, Rohrsen und Gadesbünden; zur zweiten: Steimbke, Stöckse, Sonnenborstel, Glashof, Wenden, Lohe, Wendenborstel, Klein Varlingen, Laderholz, Vorthoff, Baumühlen und Brunenborstel. Zur dritten. Borstel, Nöpke, Hagen, Eilvese und Eilveser Damm; zur vierten: Husum, Brokeloh, Bolsehle, Linsburg, Schessinghausen, Groß Varlingen und Langendamm. Die frühere Residenzstadt der Grafen von Wölpe, Neustadt am Rübenberge, wurde Sitz eines eigenen Amtes, auch Rehburg wurde eigenes Amt.

 

Die Verwaltung und die Aufgaben des Amtes Wölpe

Die einzigste Behörde des Amtes Wölpe für Verwaltung und Rechtspflege befand sich in Wölpe. An ihrer Spitze stand der Drost, später Amtmann genannt, in dessen Hände der Schutz der Burg, die Verwaltung und Rechtspflege im Amt lagen. Von großer Wichtigkeit war auch der zweite Beamte, der Amtsschreiber, der die Hauptaufgaben erledigte. Beide waren verantwortlich für die Verwaltung und Besetzung der Höfe, die Pflege und Ausnutzung des Waldes, die UnterhaltungDas alte Amtshaus in Wölpe 1718 der Wege, Brücken und Mühlen, die Erhebung der landesherrlichen Einkünfte, die Erhaltung von Ordnung und Sitte und die niedere Gerichtsbarkeit. Die Aufsicht über die Schulen und Kirchen des Amtes oblag dem Pastor (Superintendenten) in Holtorf, dessen hohe Stellung wohl aus der des einstigen Burgkaplans der Wölper Grafen hervorgegangen war. Von 1825 bis 1869 war Holtorf sogar Sitz einer Superintendentur. Bis zum 18. Jahrhundert verwaltete der Drost die zum Amthof gehörenden Ländereien (etwa 150 Hektar), die eine Domäne bildeten. Alle Angestellten des Amthofes, etwa 30 Personen, wurden gespeist, was dann noch an Vieh und Korn übrig blieb, wurde für den Landesherren verkauft. Leichtes, obergäriges Bier braute der Amthof selber und baute dafür auch den erforderlichen Hopfen an. 1595/96 braute man immerhin 92 ½ Fass Bier. Bei besonderen Anlässen, wie Besuche durchreisender Fürsten oder hoher Beamten, ließ man Bier von Minden oder Bremen kommen und bereicherte die Tafel mit besonderen Delikatessen, Lachs und Heringen. So blieb bei der Selbstbewirtschaftung des Amthofes für den Landesherrn in manchen Jahren nicht viel übrig, und die Domänenkammer beschloss, den Amtshof mit vollem Inventar an den ersten Beamten zu verpachten, um so mit der Pacht feste Einnahmen zu erzielen. Bei dieser Regelung blieb es bis 1859. Zu dem landesherrlichen Besitz gehörten außerdem drei Wassermühlen: in Holtorf, Führse und Laderholz. Um sich eine möglichst hohe Pacht zu sichern, zwang das Amt seine Einwohner, ihr Korn nur in einer bestimmten Mühle mahlen zu lassen. "Mühlgäste" der Holtorfer Mühle waren die Einwohner von Holtorf, Erichshagen, Rohrsen, Heemsen und Gadesbünden. Die der Laderholzer Mühle die Einwohner von Laderholz, Steimbke, Wenden, Wendenborstel, Glashof, Nöpke, Borstel und Hagen. Zur Führser Mühle gehörten die Bewohner von Langendamm, Stöckse, Sonnenborstel, Linsburg, Schessinghausen, Groß Varlingen und Husum. Zum Amte Wölpe gehörte auch keine Stadt, die Bewohner waren vorwiegend Bauern. Sie besaßen haus, Hof und Ländereien nach Meierrecht. Einzig in Erichshagen, dem größten Ort des Amtes und gleichzeitig Flecken, siedelten viele Handwerker und Kaufleute, um dem benachbarten Amt ihre Dienste anzubieten.

 

Der ständige Konflikt mit dem Amt Nienburg

Die Calenberger Landesherrn schienen nicht immer Freunde am Eckpfeiler ihres Herzogtums gehabt zu haben. Das Amt Wölpe wurde, wie schon erwähnt, an die Drosten verpachtet, die zeitweise argen Missbrauch mit den Einkünften zu ihrer persönlichen Bereicherung trieben, die hochwertigen Buchen- und Eichenstämme des Grinderwaldes in Massen verkauften, um mit dem Erlös die zu hinterlegenden Pfandsummen begleichen zu können. Im Jahre 1550 musste beispielsweise der Herzog selbst seien eigene Burg belagern, weil der Drost, der Drakenburger Claus von Rottorf, auffällig wurde. Ein Teil der Burg ging in Flammen auf, wobei leider auch die Akten mit vernichtet wurden, die uns heute vieles über den mittelalterlichen Zustand der einstigen gräflichen Residenz hätten sagen können. Auch kam es immer wieder zu Streitigkeiten über den gemeinsamen Grenzverlauf mit dem Bewohnern des benachbarten hoyaschen Amtes Nienburg. Da die Weserstadt keinen Anteil am Grinderwald besaß und daher Holzarmut herrschte. Um diesem abzuhelfen , gewährte der Herzog der Stadt und dem hoyaschen Grafen die sogenannte "Giftschnede", eine äußertste Grenze im Grinderwald unmittelbar hinter den Dörfern Husum, Bolsehle bis Borstel. Innerhalb dieser Grenze hatten die Bürger Nienburgs das recht, Brennholz zu sammeln, aber durften keine Eichen und Buchen fällen. Obwohl jedes Jahr die Grenzlienien in Erinnerung gebracht wurden, kam es zu langwierigen Konflikten und blutigen Händeln, wenn die Nienburger ihre Abmachungen nicht einhielten. Mehr als einmal rief dann die Husumer Glocke die Bewohner Linsburgs, Schessinghausens und Bolsehles zur Abwehr zusammen, wenn die Nienburger "fruchtbares Holz" auf zahlreichen Wagen mitführten, ihre Schweine in die "Scharhölzer" trieben, allerlei Frevel verübten, Zaunpfähle, Hühner, Gänse, Bratbeeren und andere Dinge mitgehen ließen.

 

Das Ende der Wölper Burg

Am 19. Juli 1624 traf hoher Besuch in Wölpe ein. Der Dänenkönig Christian mit 2 Welfenprinzen kehrten zu kurzem Aufenthalt auf Schloss Wölpe ein. Bereits im folgenden Jahr, als der katholische Heerführer Tilly Nienburg belagerte, wurde die Burg Wölpe erobert und ist vielleicht schon damals dem Erdboden gleich gemacht worden, denn wir hören seit dieser Zeit nur noch von dem Amtshofe in Wölpe, der nun auf dem Burghügel gebaut wurde, als dem Wohnsitz der hannoverschen Beamten. Wo einst kriegerisches Leben herrschte, war es nun still geworden und wohl selten hat seither ein Landesherr den denkwürdigen Boden betreten. Infolge der Revolution von 1848 wurde am 1. Oktober 1852 eine neue Gerichtsverfassung eingeführt. Der Amtmann behielt nur die Verwaltung, für die Rechtspflege wurde ein Amtsrichter angestellt. In Wölpe wurde daraufhin ein besonderes Amtsgerichtsgebäude gebaut, das heute als einzigstes Gebäude des ehemaligen Amthofes noch am Ortsausgang Erichshagens Richtung Celle erhalten geblieben ist.

 

Die letzten Jahre des Amtes Wölpe

Mit Aufkommen der Eisenbahn und damit Verbunden die Möglichkeit, auch entfernte Orte rasch und bequem zu erreichen und dem Ziel zu sparen, legte die hannoversche Regierung 1859 die bis dahin 176 Ämter in 102 zusammen. Da wurde auch das Amt und Amtsgericht Wölpe aufgehoben. Die Kirchspiele Holtorf, Heemsen, Steimbke und Husum wurden nach Nienburg, Hagen nach Neustadt am Rübenberge und die Forstinspektion Linsburg nach Nienburg verlegt. Der Ort Wölpe, der reichlich 100 Einwohner zählte, verödete. Der Amtmann Ostermeyer wurde nach Nienburg versetzt, der Amtsrichter Heine trat in den Ruhestand. Das Amtsgerichtsgebäude wurde dem Forstbeamten des Bezirks als Dienstwohnung überlassen, das schon sehr baufällige Amtshaus stand leer und verfiel mehr und mehr, bis es 1876 aus Abbruch verkauft wurde. Die noch übrigen Häuser des einst wichtigen Ortes Wölpe bildeten seitdem den östlichen Teil des Fleckens Erichshagen. Die Höhe, auf der einst die Burg gestanden, wurde mit Bäumen bepfalnzt. Die Lage der alten Burggräben ist an dem sumpfigen Gelände noch deutlich zu erkennen. "Wo jetzt tiefe Stille herrscht, war einst reges, nicht selten kriegerisches Leben. Auf dem zwar nicht sehr hohen, aber ziemlich umfangreichen Hügel, wo jetzt in den Baumwipfeln, die weithin sichtbar sind, der Wind rauscht, stand einst die starke Burg der Grafen von Wölpe, die oft in ihrer eisernen Kriegsrüstung hier ein- und ausritten, oft auch im Gefolge an Kriegleuten und sonstigem Anhange hinaus in den Krieg als Heerführer zogen oder im Priestergewande aus- und eingingen".